Herzenspastoral

Was bewegt die Herzen der Menschen?

Alexander Ruf, Pastoralreferent in der Krankenhausseelsorge und der Citypastoral Karlsruhe

 

Eine Pastoral von Herz zu Herz

pastoral am puls versteht sich als Herzenspastoral. Ausgangspunkt aller pastoralen Bemühungen sind die Fragen, Nöte und Bedürfnisse der Menschen, die sie in ihren Herzen bewegen. Dieser Ansatz entspricht dem Grundgedanken des II. Vatikanischen Konzils zu einer Pastoral der Kirche in der Welt von heute (GS 1):

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen ihren Widerhall fände.“

pastoral am puls ist davon überzeugt, dass Gott sich uns gerade darin, was in unseren Herzen Widerhall und Resonanz findet, mitteilt.

Der biblische Begriff des Herzens

Diese Überzeugung findet ihre Begründung in biblischen Aussagen zum Begriff des Herzens. Der hebräische Begriff für Herz lautet leb/lebab. Er taucht im Alten Testament bis auf die Bücher Micha und Habakuk in allen Büchern auf. Leb/lebab beschreibt das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit. Es ist der Ort, wo der Mensch Gefühle wahrnimmt, Gedanken hervorbringt, Entscheidungen trifft und die Geschehnisse der Welt aufnimmt. Vor allem ist das Herz in der biblischen Tradition aber der Ort, wo Menschen sich für Gott öffnen oder verschließen. Das offene Herz ist Vorrausetzung, um mit Gott in Verbindung zu treten.

Das wird besonders in Dtr 30,6 deutlich, wo von der Beschneidung des Herzens die Rede ist:

„Der Herr, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden. Dann wirst du den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele lieben können, damit du Leben hast.“

Nicht die ursprünglich geforderte körperliche Beschneidung als äußeres Zeichen für den Bund mit Gott kann die Verbindung zu Gott herstellen, sondern das Herz muss auf Gott hin geöffnet und ausgerichtet werden.

Die Herzenspastoral Jesu

Die Ausrichtung des Herzens auf Gott hin gehört im Neuen Testament zu den zentralen Inhalten der Verkündigung Jesu.  Sein wichtigstes Gebot ist die Herzensliebe zu Gott und zu den Mitmenschen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,37f) Am Leben Jesu lassen sich beide Seiten dieser Herzensliebe ablesen. Jesus lebt in einer durchgehenden Verbindung zu seinem himmlischen Vater und in der Zuwendung zu den Menschen. Seine Sendung besteht darin, die Herzen der Menschen mit dem Herzen Gottes zu verbinden. Dazu schaut er auf das Innere der Menschen, auf das, was sie in der Tiefe bewegt. Diese Form der Herzenspastoral hat er nach seinem Tod und seiner Auferstehung gleichsam allen Seelsorgern mit auf den Weg gegeben. Die Emmauserzählung führt uns eindrücklich vor Augen, wie eine Herzenspastoral gelingen kann.

Drei Punkte sind in diesem Vorgang entscheidend:

  • Wahrnehmung der Herzensstimmen: Der Auferstandene geht an der Seite der Emmausjünger mit ihnen. Als aufmerksamer Zuhörer stellt er sein Herz zur Verfügung, damit die Jünger ihm erzählen, was sie im Herzen bewegt.
  • Wahrnehmung der Zeitenstimmen: Der Auferstandene fragt nach den Geschehnissen, die sich in Jerusalem in dieser Zeit zugetragen haben.
  • Deutung: Der Auferstandene ordnet diese Ereignisse und deren Auswirkung auf die Jünger in die göttliche Heilsgeschichte ein und zeigt darin den Willen Gottes auf. Somit verbindet er göttlichen Heilswillen mit menschlicher Wahrnehmung. Er verbindet das Herz Gottes mit den Herzen der Jünger. Am Ende erkennen die Emmausjünger die belebende und von Gottes Geist bewirkte Kraft dieser Begegnung: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete…“ (Lk 24,32)

Diese Form der seelsorglichen Begleitung war auch Pater Josef Kentenich zu eigen. Mit ganzer Aufmerksamkeit hat er sich seinem Gegenüber zugewendet. Bei seiner Einführung als Spiritual des Pallottinerkollegs in Ehrenbreitstein gab er seinen Schülern die Zusage: „Ich stelle mich Euch hiermit vollständig zur Verfügung mit allem, was ich bin und habe: Mein Wissen und Nichtwissen, mein Können und Nichtkönnen, vor allem aber mein Herz.”

Sich als Seelsorgerin und Seelsorger zur Verfügung stellen

Zuwendende Seelsorge setzt ganz aufseiten der Menschen an. Sie soll in der Weise geschehen, dass wir auf das Leben, die Fragen und in die Herzen der Menschen schauen und im großen Schatz des Evangeliums nach Antworten suchen. Zugleich sollen wir, so Kentenich, als Seelsorger aber immer auch die Geschehnisse der Zeit im Blick haben. In allen Ereignissen als Zeichen der Zeit gilt es,  einen Auftrag Gottes an die Menschen zu entdecken. Die Grundfrage lautetet: „Was will damit Gott? Was liegt wohl in seinem Plan für die Menschen?“

Neben den Herzens- bzw. Seelenstimmen und Zeitenstimmen spricht Kentenich zudem von den Seinsstimmen. Im Sein dieser Welt, also in der Art, wie Gott die Welt geschaffen hat und wie die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten (GS 36) ausgeprägt ist, können wir ebenso seine Absicht erkennen. Wer aufmerksam die Schöpfung wahrnimmt und die Existenz des Menschen betrachtet, wird auch darin dem heilsgeschichtlichen Willen Gottes begegnen.

Seelen-, Zeiten,- und Seinsstimmen sind nach Kentenich die Erkenntnisquellen für das Heilshandeln Gottes. Da wir letztlich aber auch das Dasein der Welt und die Geschehnisse in ihr durch unser Herz wahrnehmen, kommt der Seelenstimme eine gewisse Vorrangstellung zu. Daher lautet in der pastoral am puls die entscheidende Frage: Was hat mein Herz berührt? Was berührt die Herzen der Menschen?

 


Foto: Bärbel Zeimantz
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