Im Sprung gehemmt

Herodes AntipasHerodes Antipas – ein moderner Gottsucher?

Zur Predigt von Erzbischof Heße während der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe

Die Predigt des Hamburger Erzbischofs Dr. Stefan Heße während der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe hat mich berührt. Er hat eine biblische Person vorgestellt, über die ich mir bislang kaum Gedanken gemacht hatte: Herodes Antipas, von 4 v. Chr. bis 39 n. Chr. Tetrach von Galiläa und damit der Landesherr Jesu. Er hat also im Erwachsenenalter das ganze irdische Leben Jesu mitverfolgen können, ihn intensiv kennenzulernen. – Was für eine historische Gelegenheit! Da wächst in mir spontan die Sehnsucht, auch diese Gelegenheit zu haben …

Es war spannend, wie Stefan Heße den Herodes Antipas charakterisiert hat. Dazu muss man allerdings das Livestream-Video des Gottesdienstes aufrufen. Das veröffentlichte Manuskript kann dazu kaum einen Eindruck vermitteln! – Eine zweite interessante Beobachtung: Es braucht offensichtlich das gelebte Leben, um an Schlüssel-Erfahrungen heranzukommen. Gedrucktes und Reflektiertes können das nicht ersetzen.

Herodes Antipas: „Ein interessanter Typ. Einer, der Interesse hat. Der von der Sehnsucht geplagt wird, Jesus einmal zu sehen. Wer ist Jesus? (…) Er taucht wieder auf in der Passion Jesu. Und da ist er auch interessiert. Er hat viele Fragen an Jesus, heißt es. Aber Jesus antwortet auf keine und schweigt. Und dann schlägt das Interesse dieses Herodes in einen blanken Hass und Spott um.“ – Meine spontane Regung: Das ist doch der Typus eines modernen Menschen! Neugierig, interessiert, engagiert. Aber was passiert, wenn die Realität nicht die inneren Bilder bedient? Was, wenn sich Erwartungen nicht erfüllen? Wenn sich Gott nicht so zeigt, wie ich es wünsche, oder wenn er schweigt?

In der Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit Jesus von Nazareth ist Herodes gescheitert. Es kam nicht zu einem Offenbarwerden des Wesens Jesu. Das liegt aber nicht an Jesus, sondern an Herodes: In seiner Predigt hat Stefan Heße ihn mit einem Läufer im Startblock verglichen, der im entscheidenden Moment nicht losläuft. Er ist im Sprung gehemmt … „Im Sprung gehemmt“ – ein Bild, das auch für die Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil gewählt wurde, die nicht mehr die Dynamik und den Reformgeist des Konzils verkörpert. „Synodaler Weg, als geistlicher Weg, das heißt für uns als Kirche in Deutschland, Jesus sehen zu wollen – ihn immer klarer, immer schärfer sehen zu wollen. Und das wird nur gehen, wenn wir wirklich gehen und nicht sitzen bleiben oder wie Herodes nie starten.“ – so Erzbischof Heße weiter.

Pastoral am Puls – das ist für mich genau dieser Vorgang: im gelebten Leben wahrnehmen; nach Gelegenheiten, Ereignissen und Stimmen spähen, in denen ein Anruf Gottes offenbar werden könnte; im gemeinsamen Austausch und Gebet eine Unterscheidung einüben, um immer klarer und schärfer zu sehen, was Gott mit uns und seiner Kirche vorhat. Vor allem aber: den glaubenden Sprung wagen, Gott zuzutrauen, dass er durch Alltagserfahrungen zu uns spricht und uns zum Handeln – zum Gehen – bewegen möchte.

Dr. Peter Zürcher, Fulda

 

Die Predigt von Erzbischof Dr. Stefan Heße als Video: www.domradio.de

 


Oswalt Kreusel, Millstätter Fastentuch: Jesus vor Herodes-Antipas, 1591–  Foto: © wikimedia commons

 

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