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– mit Kommentar
Kurt Faulhaber
Auch ich hatte gehofft, dass Papst Franziskus in Amazonien verheiratete Männer zu Priestern weihen lassen würde. Die Enttäuschung ist groß. Die Hoffnungen auf Reformen in der katholischen Kirche schwinden. Man hat sich in Papst Franziskus getäuscht.
Bis man sein Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Querida Amazonia“ liest. Da begegnet man einem Menschen, den das Unrecht, die Vertreibungen, die Morde, die Bedrohung vieler Völker und ihrer Kulturen, die Zerstörung ihres Lebensraums zutiefst schmerzt. Der den Schrei der Menschen dort und der Natur, der zum Himmel aufsteigt, in die Welt hinausruft. Der das Herz der Menschheit erreichen will und deshalb in einer neuen Sprache spricht, der Poesie. Der uns aufrütteln möchte, da es unsere Lebensweise und unsere Wirtschaft ist, die die Existenz der Menschen in Amazonien bedroht. Die bereits Abertausende von Arten ausgerottet hat und ungebremst in die Katastrophe schlittert. Franziskus, der trotz seines Gefühls, „es sei zu spät“ (111.), Träume und Visionen in die Köpfe und Herzen der Menschen einpflanzen möchte.
Dem das alles wichtiger ist als die Frage, ob es viri probati und Diakoninnen geben darf. Der eine Kirche will, die nicht wie der Priester und Levit in Jesu Gleichnis ihren Tempeldienst im Sinn hat, sondern zuerst zu dem unter die Räuber Gefallenen eilt. Hand aufs Herz: Hätte Franziskus die viri probati ermöglicht – hätten wir uns dann wirklich damit befasst, dass das Schicksal Amazoniens heute das Schicksal unseres Planeten morgen ist? Oder eher mit der Frage, wie wir als nächstes viri probati für Deutschland erreichen? Damit an mehr Orten Eucharistie gefeiert wird? Oder damit schrittweise der Zölibat verschwindet? Franziskus musste wissen, dass seine Entscheidung für die viri probati in Amazonien genau diesen Stein ins Rollen bringen würde. Dass sich unser Tunnelblick noch mehr auf diese Frage fokussieren würde.
Dennoch: Er hat nicht „nein“ gesagt. Er hat geschwiegen. Oder besser: Er lässt die Synode selber sprechen, ihr Schlussdokument. Das gilt bei bisherigen Synoden als Beratungs- und Übergangsdokument, bis der Papst selber schreibt, was er übernimmt, verwirft oder anders sieht. Doch diesmal möchte er „das Schlussdokument offiziell vorstellen“, es selber sprechen lassen, da die Vielen, die daran mitgearbeitet haben, „die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie“. Er möchte, „dass sich die ganze Kirche von dieser Arbeit bereichern und anregen lässt“. (3.)
Das genannte Schlussdokument schlägt vor (mit 2/3 Mehrheit), „dass die zuständige Autorität … solche Kriterien und Ausführungsbestimmungen festlegt, nach denen geeignete und in der Gemeinde anerkannte Männer zu Priestern geweiht werden können. Diese sollten … mit ihrer legitimen, stabilen Familie zusammenleben…Einige haben in diesem Zusammenhang auch dafür plädiert, das Thema auf weltkirchlicher Ebene zu behandeln.“ (111)
Papst Franziskus möchte, „dass sich die ganze Kirche von dieser Arbeit bereichern und anregen lässt“. Jetzt wissen die Synodalen in Frankfurt, was sie zu tun haben!
Weiter das Schlussdokument: „Im Dienst an den sich wandelnden Anforderungen für die Evangelisierung und die Begleitung der Gemeinden bitten wir darum, dass man ein Dienstamt für die „Leiterin einer Gemeinde“ einrichte und institutionell anerkenne.“ (102)
Papst Franziskus möchte, „dass sich die ganze Kirche von dieser Arbeit bereichern und anregen lässt“. Jetzt wissen die Synodalen in Frankfurt, was sie zu tun haben!
„Eine große Anzahl von Konsultationen forderte, den ständigen Diakonat für Frauen einzurichten.“ (103)
Papst Franziskus möchte, „dass sich die ganze Kirche von dieser Arbeit bereichern und anregen lässt“. Jetzt wissen die Synodalen in Frankfurt, was sie zu tun haben!
Es ist falsch, zu sagen: Franziskus hat das alles gestoppt. Er hat keinen Mut zu Reformen. Hat er doch selber diese Reformen mit ins Spiel gebracht und oft um neue, mutige Schritte aufgefordert. Offenbar möchte er diese Fragen nicht autoritär entscheiden und vorschreiben, sondern synodale Prozesse auslösen. So schrieb er zum deutschen synodalen Weg: „Synodalität von unten nach oben … So ist es nicht möglich eine große Synode zu halten, ohne die Basis in Betracht zu ziehen… Dann erst kommt die Synodalität von oben nach unten“.
Das heißt für die Synodalen in Deutschland:
Schafft eine 2/3-Mehrheit für verheiratete Priester, für den Diakonat der Frau. Erwartet nicht, dass der Papst dann eure Beschlüsse durchsetzt. Schreibt nicht nur an den Papst, schreibt an das Volk Gottes in Afrika, Amerika, Asien … Bittet die Weltkirche, mitzusprechen, auf die Stimme des Heiligen Geistes in den Menschen und in den Zeichen der Zeit zu hören. Bittet sie um ihre Antwort. Dann kann der Papst eine Weltsynode einberufen, die zusammen mit ihm entscheidet. Geht nicht so ein synodaler Prozess von unten nach oben, ein synodaler Prozess in der Weltkirche?
Kommentar 1: 05.03.2020
Der Artikel zu „Querida Amazonia“ hat mich überzeugt und sollte von vielen gelesen werden. Von dieser Perspektive aus zeigt sich die Position des Papstes ganz anders: als Herausforderung der ganzen Weltkirche geradezu, nicht alles beim Alten zu lassen, bis der Papst allein ein mutige Entscheidung fällt, sondern die Kirche von unten nach oben zu erneuern. Danke für diesen Artikel.
Fritz Ullmer, Heidelberg