„Kirche@home“ in Eislingen

  1. Projektbeschreibung
  2. Interview mit der Prjektlieterin, Katharina Pilz
  3. Theologische und pastorale Reflexion

Eltern und zwei Kinder1. Projektbeschreibung

Kirche@home ist ein Projekt, das Gemeindereferentin Katharina Pilz initiierte. Die Grundidee war Familien Angebote nach Hause zu bringen, in denen sie über das Leben, über den Glauben und über Gott und die Welt ins Gespräch, ins Nachdenken und ins kreative Handeln kommen. Begleitet wurde diese Zeit von einer Schriftrolle, die die Familien Woche für Woche weiter gestalten. 

Ein Beispiel aus dieser Zeit ist die Schatzsuche am ersten Maiwochenende.

(Alle Angebote sind auf folgender Homepage zu finden: https://stmarkus-liebfrauen-eislingen.drs.de/kirche-home.html )

01.-03. Mai: Auf Schatzsuche im eigenen Leben

Dieses Wochenende heißt es „Unterwegs sein“ und auf Schatzsuche gehen.
Ein besonderer Schatz möchte von Euch gefunden werden.

Auf Eurer Schatzsuche begleiten Euch immer kleine Erzählungen aus der Apostelgeschichte – einem Buch der Bibel. Sie berichten von den ersten Christengemeinden und von den Anfängen der jungen Kirche. Darin stecken Schätze, die uns viel für unser Leben heute sagen können. 

Einige Beispiele

  • Weggefährte sein – blind vertrauen i.V.m. Apg 18,22
    Die Aufgabe dazu lautete: „Geht immer zu zweit zusammen, einer verbindet sich die Augen und der andere führt ihn“
  • Mahl halten i.V.m. Apg 2,46
    Die Aufgabe lautete: „Holt Euer Vesper und Trinken aus dem Rucksack. Bevor Ihr zu essen beginnt, sagt doch einfach „DANKE!“ – sozusagen ein kleines Tischgebet: „Gott, ich danke Dir für…!“ Lasst es Euch schmecken und stärkt Euch!“
  • Was hilft neu anzufangen i.V.m. Apg 14,6
    Die Aufgabe lautete: Was hilft mir und was hilft uns als Familie nach einem Streit wieder neu anzufangen? Überlegt es euch, macht ein Foto von dieser Situation

Den Schatz, den die Familien miteinander finden konnten, waren die Erfahrungen in der Familie: das Zusammenhalten, einander erzählen, miteinander essen, einander verzeihen, … also keine materiell greifbaren und fassbaren Schätze, sondern das, was ein gutes Leben miteinander ausmacht. 

Bilder und Blitzlichter

  • Wir waren zwei Stunden unterwegs. Es waren sehr aufregende Stationen. Am Besten, die mit dem Schiffchen basteln. Das Wetter hat zum Glück mitgemacht.
  • „Zurückziehen hilft in Konfliktsituationen“ war einhellige Meinung!

 

 

 


2. Interview

PaP Frau Pilz, welche Resonanz bekamen Sie von den beteiligten Familien?

Pilz Erstmal war ich allein von der Zahl der Familien überrascht, die nach unserem Intensivangebot „Ostern@home“ weitergemacht haben. Die tiefere Resonanz erlebte ich allerdings in den Bildern, die mir die Familien zurückgeschickt haben. Es waren nicht die Worte, sondern die Bilder waren wie die offenen Fenster, durch die ich Einblicke in ihr Schaffen hatte: die Intensität sprang förmlich auf mich über, ich spürte wie bewegend es für sie gewesen sein muss. Natürlich auch, weil ich viele Familien kannte.

PaP Die Schließung der Kirchen und die Absage kirchlicher Veranstaltungen hat vielerorts überraschende Kreativität ausgelöst. Das scheint auch bei Ihnen so gewesen zu sein?

Pilz Ja, so war es. Wir wollten nicht in der anfänglichen Schockstarre bleiben, die uns durch den völligen Lockdown Mitte März lähmte und aus der manche bis heute nur schwerlich herauskommen. Was können wir als Kirche für die Menschen jetzt Gutes tun, die in unserer Gemeinde und in unserer Stadt leben? Wenn wir uns nicht mehr versammeln können, dann muss es doch andere Möglichkeiten geben.

Eine Erfahrung, die mir in dieser Zeit sehr wertvoll geworden ist, der Kreator – die Kreativkraft Gottes braucht immer Mitspielerinnen und Mitspieler, die miteinander im Team aktiv sind, sich Ideen zuspielen und frei sind zum Spinnen ohne gleich wieder die Grenzen oder den Aufwand zu sehen. 

PaP Wer waren hier die kreativen Mitspieler: Sie? Oder auch die Eltern? Die Kinder? Steckt Kreativität an?

Pilz Es waren unterschiedliche Mitspieler: zum einen waren es Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mich inhaltlich kreativ, elementarisierend und in sprachlichen Formulierungen ausgetauscht habe. Zum anderen war es der Prozess selbst, den ich bewusst offen angelegt hatte und mir sagte: aus den Rückmeldungen in Bildern und kurzen Statements der Familien entsteht der nächste Schritt. Ich lasse mich treiben und leiten von dem, was ich wahrnehme und mir geschenkt wird; irgendwie entlang eines roten Fadens, der sich aus meinen Schriftrollenerfahrungen ergab. Das ging erstaunlich gut – denn eigentlich bin ich eher der „lang im Voraus planende“ Typ mit Konzepten und Strukturen in der Hand, doch jetzt ging es auch ganz anders: mit Aktion und Reaktion und einer für mich sehr spontanen Arbeitsweise. Und in allem: es hat einfach Freude gemacht: dieses gegenseitige Zuspielen und vor allem mich in diesem Prozess zu erleben. So lebt die Kreativität einfach. 

PaP Sie haben von Schriftrollenerfahrungen gesprochen. Auf Schriftrollen wird normalerweise aufgezeichnet, was bisher geschehen ist. Sie lesen darauf ab, wie es weitergehen kann?

Pilz Genau, denn aus den Erfahrungen, die gestern gemacht wurden, ist mit feinem Fühlen ablesbar, in welche Richtung die Schritte in die Zukunft gehen können: Was mir gut tut und wo meine Ängste und Fragen präsent sind, das wird mich auch morgen noch beschäftigen.
Durch den Wegfall vieler Termine hatte ich unverplante Zeit für „Neues“: für Gedanken, Ideen und für das „in mir wirken und sich entfalten lassen“ dessen, was mir begegnete.  Ich musste es einfach probieren und wagte auch für mich selber neue Schritte. „Mal schauen, wohin dieser dynamische Prozess uns nun führen wird!“, dachte ich und begann einfach. 

Mit dem Beginnen kam das Miteinander ins Rollen. Eine Familie schrieb: „Wenn wir etwas helfen können, z.B. das Material an die Familien verteilen, dann einfach melden.“ Oder die Bilder der Familien mit ihren Schriftrollennotizen halfen mir zum nächsten Schritt: Fast überall stand: wir sind viel in der Natur, und so kam es zur Schatzsuche übers erste Maiwochenende. Oder ein kurzes Tür- und Angelgespräch mit meinem Kollegen half mir von den „Spurenlupe für die Gottesmomente“ zu den „Ich bin“ Worten zu kommen.

PaP Das „Credo“ der Pastoral am Puls lautet: Hier handelt Gott. Wo kommt er in diesem Prozess selbst vor? Sie sagten vorhin: Er „braucht immer“ uns, unser „Miteinander im Team“. Können Sie uns das näher beschreiben? Wie geht das, wie erleben Sie das: „Mitspielerin“ Gottes sein?

Pilz Ich bin davon überzeugt, dass Gottes kreatives Spielen nicht dadurch entsteht, dass wir uns hinsetzen, die Hände in den Schoß legen und abwarten, was passiert, sondern ER wirkt, indem wir etwas machen und uns als Mitspielerinnen und Mitspieler zur Verfügung stellen. Wenn Herz und Augen und Hände wachsam und offen sind für das, was im Eigenen und im Herzen und Leben anderer bewegt wird und so ein Spiel in der Beziehung und Entwicklung geschieht, dann handelt Gott – hier, heute und ganz konkret. Es ist nur die Frage, ob wir es wahrnehmen, erkennen und benennen und daraufhin ins Handeln kommen. 

Ich selber bin auch immer am Suchen dieser Spuren und erlebe mich oft im Alltag auch nicht als diejenige, die als Mitspielerin Gottes unterwegs ist. Da sind Termine an Termine, das Jonglieren von Anfragen und Vorbereitungszeiten, mein Zweifeln an meinem Tun und die Suche nach kreativen Ideen. 

Da tut es verdammt gut, von jemandem gefragt zu werden: „Bist Du Dir bewusst und weißt Du, dass DU – also ich – Mitspielerin Gottes in dieser Welt bist?“ Das ist eine Frage, die mich zutiefst berührt und mich zum Nachdenken und zum „im Herzen bewegen“ führt. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich immer wieder Momente wie diese erfahren darf, die den Kern des formulierten Credos von Pastoral am Puls treffen und mich an meine eigene Berufung erinnern, aus der ich leben möchte.
So war es im Kirche@home Prozess mit den Familien: Es war ein gemeinsames kreatives Unterwegssein ohne zu wissen – für die Familien und für mich – welche Wunder sich dahinter verbergen und welche Wundermomente es im Leben noch aufzuspüren gibt. 


3. Theologische und pastorale Bedeutung

Kreativität

Die Coronakrise hat überall überraschende Kreativität ausgelöst, außerhalb wie innerhalb der Kirche.

Wo Kreativität, das ist der „Creator“ am Wirken, der Schöpfer-Geist. Im Credo wird er „vivificator“, „Lebendigmacher“, genannt. 

Das Alte Testament spricht von der „ruah“. Es bezeichnet die bewegte Luft, vom Atmen bis zum Wind und Sturm und die diese Wirkungen hervorrufende Gottheit. Das Neue Testament spricht vom „pneuma“, was dieselbe Bedeutung hat. Das deutsche Wort „Geist“ gibt diese sinnenhafte Erfahrung einer von innen und außen kommenden Bewegung, die unsichtbar aber stark erfahrbar ist, Veränderung schafft und vor allem lebensnotwendig ist wie der Atem, nicht wieder. 

Da „ruach“ im Alten Testament ein weibliches Wort ist, könnte man es interpretierend übersetzen mit Kreativmacht Gottes – sowohl als treibende Kraft der Evolution als auch als Erzeugerin der Kreativität im Menschen. Oder: Die Geistkraft / Geistmacht. Oder (dem Neuen Testament entsprechend) die Pneumamacht Christi. 

Sie macht es so sehr verborgen im Menschen, als wäre es nur der kreative Mensch, der etwas schafft; aber in Wahrheit empfängt er die Kreativität aus seinem Innern; sie fließt ihm zu.

Es braucht die Gabe der Unterscheidung, um zu erkennen, wo stärker der Tätigkeitstrieb im Menschen und wo stärker die Kreativkraft Gottes im Zusammenspiel von Gott und Mensch am Wirken ist.

Mit Hilfe dieser Unterscheidung darf man das aus Kreativität Hervorgehende als Wirken des Heiligen Geistes betrachten, der Elemente und Übergangsformen einer Kirche der Zukunft hervorbringt.  Die Leitung der Kirche darf das fördern und sich daran orientieren.

 


Fotos: „Kirche@home“ in Eislingen
Familie – Foto: pixabay.com
Hl. Geist Symbol – Foto: Hubertus Brantzen

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