Die Instruktion aus Rom und wie es weitergehen könnte
So aufbegehrt gegen Rom hat man unsere Bischöfe – jedenfalls öffentlich – noch nie erlebt. So entschlossen, sich nicht an die Verordnungen der „Instruktion zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“ zu halten. Die Verantwortlichen für diesen Text haben nun nach Rom eingeladen. Um die Kritik zu verstehen? Um sich zu verständigen? Nein, um „Zweifel und Verblüffung zu beseitigen“.
Für einen konstruktiven Dialog braucht es eine gemeinsame Grundlage. Die liegt vor: Eben diese Instruktion. Doch nur ihr 1. Teil und der Schluss. Der 1- Teil ist hervorragend. Deshalb wird sie auch von manchen Bischöfen gelobt. Im 2. Teil ändert sich plötzlich Sprache, Inhalt und Perspektive. Das passt buchstäblich vorne und hinten nicht zusammen. Das haben offensichtlich verschiedene Leute geschrieben.
Ein Text, der nicht zusammenpasst
Gehen wir also vom 1. Teil aus: Schon die Einleitung spricht von „neuen Erfahrungen“, einem „neuen Gemeinschaftsstil“, einem „neuen Stil der Zusammenarbeit“. (1 und 2). Der 2. Teil dagegen doziert fortwährend die ausschließliche Orientierung am bestehenden „kanonischen Recht“ und begrenzt und beschneidet neue Entwicklungen. Für Bischof Schick, Bamberg, selbst promovierter Kirchenrechtler, ist es “nicht annehmbar”, dass das Papier nur an einzelne Vorschriften des kirchlichen Gesetzbuchs von 1983 erinnere, ohne die Lehrentwicklung seither und die konkreten Verhältnisse vor Ort zu berücksichtigen.
Beim Lesen des Textes fällt auf, was das Hauptanliegen der Autoren ist: die Laien von allen Formen der Leitung fernzuhalten, den Anfängen zu wehren, selbst „Bezeichnungen zu vermeiden, die an Leitung erinnern“.(96) Natürlich braucht man ihre Mitarbeit, aber haben sie auch Rechte? Ein Recht wird genannt: das „Recht, … ihre Meinung … mitzuteilen.“(112) Der Pastoralrat der Laien, möglichst Personen, „die in der Pastoral der Pfarrei wirkliche Verantwortung tragen“ (114), „hat nur beratendes Stimmrecht“ (111), hat nach den Beratungen lediglich „praktische Schlussfolgerungen vorzulegen“ (110), die der Pfarrer zu „prüfen“ und zu „bedenken“ hat. (113) Der Text ist ganz im Blick und im Interesse der Priester geschrieben. Sie sollen vor dem Extrem bewahrt werden, ihrer Rolle „beraubt“ zu werden. (113)
Ganz auf Abgrenzung zielt der Text, wo es um den Kanon 517 §2 des Kirchenrechtes geht. Nach ihm besteht die Möglichkeit, dass Gemeinden, die keinen Pfarrer haben, von Laien (jetzt darf ich nach dem Willen der Instruktion auf keinen Fall sagen: „geleitet“ werden,) betreut werden. (Diese Lösung wird vermutlich in deutschen Diözesen mehr und mehr eingeführt werden.) Die „Leitung“ hat ein auswärtiger Priester, „Moderator“ genannt, der de facto aber in der Gemeinde nicht präsent ist und auch nicht sein kann, sonst würde er ja zum Pfarrer ernannt. Es ist geradezu peinlich, wie hier alle Einschränkungen und Bedingungen zusammengetragen werden und die Worte: „nur der Priester“ wiederholt werden. (87-93)
Den Priestern gegenüber ist dieser Teil der Instruktion sehr feinfühlig. Zum Beispiel muss verhindert werden, dass sie eine Versetzung als „Degradierung“ betrachten (74). Haben die Herren Stella, Mercier, Wong und Ripa (die Unterzeichner der Instruktion) sich schon einmal in Laien hineinversetzt, wie diese ihre Deklassierung gegenüber dem Klerus erleben? Reden dürfen – aber nichts zu sagen haben?
Auch hier zeigt der 1. Teil einen Ansatz auf. Die Kirche soll die Kultur einer Zeit in sich aufnehmen; sie wird „durch den Fortschritt des gesellschaftlichen Lebens“ bereichert werden. (4) Es gehört aber zu heutiger Kultur: Wer die Verantwortung hat und die Kompetenz, der muss auch entscheiden können. Das ist keine Bedrohung, sondern Bereicherung.
Was meint “Leitung”?
Mir scheint eine Schlüsselfrage der Begriff „Leitung“ zu sein. Die Instruktion scheint unter Leitung pfarramtliche Leitung im strengen Sinn zu verstehen. So heißt es gleich in den ersten Sätzen über den Pfarrer: „das Amt des Pfarrers (kann) nicht einer aus Klerikern und Laien bestehenden Gruppe übertragen werden kann.“ (66) Wenn man in deutschen Diözesen erwägt, die Verantwortung für eine Gemeinde einem „Leitungsteam“ zu übertragen, dann versteht Rom darunter: Das Leitungsteam übt das Amt des Pfarrers aus. Deshalb untersagt die Instruktion auch, Laien den Titel „Pfarrer“, „Ko-Pfarrer“, „Pastor“ oder „Kaplan“ zu geben. Ich bin überzeugt, dass kein Bischof, der mit dem Gedanken einer Leitung durch Laien spielt, überhaupt den Gedanken hat, Laien damit zu Pfarrern zu machen. Und kaum ein Laie dürfte bereit sein, mitzuarbeiten, wenn er den Pfarrer spielen müsste.
Besser als ängstlich das Wort „Leitung“ zu meiden, scheint mir, zu umschreiben, in welcher Weise ein Pfarrer und in welch anderer Weise ein Laie oder eine Gruppe von Laien Leitung wahrnimmt. Dem Priester kommt die Repräsentation Christi in den Sakramenten zu, das Achten auf das Evangeliumgemäße und die Sorge für die Einheit aller. Für Laien hat auch die Instruktion keine Bedenken, von „Verantwortung“ zu sprechen. (Ist das so weit weg von Leitung? Ließe sich von hauptverantwortlichen Laien und letztverantwortlichen Priestern sprechen?) Beide Aufgaben lassen sich nicht säuberlich voneinander unterscheiden. Das macht auch die Instruktion deutlich, wenn sie vom Hirtenamt der Priester und der Beteiligung „an der Ausübung der Hirtensorge“ der Laien spricht. (87.91)
In diesem Fall hat die Instruktion anscheinend auch keine Bedenken, dass beteiligte Laien mitentscheiden. Wo eine Priestergemeinschaft Gemeinden leitet, da „agiert die Gruppe der Priester zusammen mit anderen Mitgliedern der betroffenen Pfarrgemeinden auf der Basis gemeinsamer Entscheidung“. (76) Geht ja doch: nicht nur Beratung, sondern Mitentscheidung!
Die Entwicklung geht über das Recht hinaus
Wie gesagt: Die Instruktion stellt keine neuen Regeln auf; sie erinnert daran, was seit 40 Jahren Recht in der katholischen Kirche ist. Die Entwicklung ging über das Recht hinaus. Der Dogmatiker Georg Essen, Berlin, meint: „Ich sehe zurzeit nicht, dass die geltende Rechtsordnung, die wir in der Kirche haben, noch in der Lage ist, produktiv und konstruktiv Wirklichkeit zu gestalten.“ Doch die Kirchenentwicklungen in den deutschen Diözesen werden nicht Jahrzehnte warten können, bis das Kirchenrecht verändert wird. Da weist der 1. Teil der Instruktion einen Weg, indem es Papst Franziskus zitiert: Ein „schrittweise Vorangehen … schließt einen geschichtlichen Prozess, ein Abwägen von Zeiten und Etappen, Überprüfung, Korrekturen, Versuchsphasen und die Approbation „ad experimentum“ ein. (36) Hoffen wir, dass Vatikan und Bischöfe sich auf ein solches Vorangehen einigen können!
Die Tatsache – so Bischof Bode, stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz –, dass Laien, also viele hochengagierte Menschen „beunruhigt, aufgebracht und sogar wütend“ sind, verletzt, sich nicht ernstgenommen“ fühlen, zeigt, wie notwendig ist, worauf Georg Esser hinweist: „Im unmittelbaren Auftakt nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils … gab es große Ansätze, dem einfachen Kirchengesetz und -recht eine Verfassung vorzuschalten.“ Eine Verfassung, die einen Durchbruch bringt für die Rechte der Laien in der Kirche.
Kurt Faulhaber
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