zur Diskussion
Im Schlussdokument der Amazonassynode bitten die Synodenväter darum, ein neues Amt zu schaffen: „die weibliche Gemeindeleiterin“ (102) Zur Begründung nennen sie die Tatsache, dass ohnehin die Mehrheit der katholischen Gemeinden von Frauen geleitet wird. (102)
Damit ist sicherlich nicht das Priesteramt gemeint. Aber es regt an, in der Frage Priesteramt für Frauen – ja oder nein – über den Horizont hinaus zu denken und theologisch-spirituelle Ansätze zu suchen.
Gibt es einen dritten Weg? – Hier ein Versuch.
1. Priester repräsentiert Christus als Haupt der Kirche
Die lehramtliche Begründung der Priesterweihe nur für Männer lautet, der Priester repräsentiere Christus als Haupt der Kirche.
Frage: Und wer repräsentiert die Kirche als Leib Christi?
Dieselbe Begründung in anderer Bildsprache: Der Priester handelt in der Person Christi, des Bräutigams, der sich seiner Braut, der Kirche, in Liebe hingibt.
Dieselbe Frage: Wer repräsentiert die Braut?
Mehr de facto als reflektiert repräsentiert der Priester auch die Kirche. Das stellt dieser Beitrag in Frage.
Das Bildwort von Braut und Bräutigam ist nicht eines unter vielen, sondern hat einen zentralen Platz in der biblischen Bundestheologie und gibt das Wesen des Verhältnisses zwischen Christus und seiner Kirche wieder. Deshalb muss es als Paradigma in der Suche nach einer Antwort auf drängende Fragen ernst genommen werden.
Wer also repräsentiert die Kirche als Leib und Braut Christi?
Gemeinschaften und Völker werden offenbar archetypisch primär als weiblich und mütterlich erlebt. So auch das Volk Gottes, die Stadt Jerusalem, schließlich die Kirche. „Tochter Zion“, „Tochter Jerusalem“, die „Braut“, die „Mutter Kirche“, das endzeitliche Gottesvolk als „Braut des Lammes“. Besonders ausdrucksstark in Jes 66, 10 ff: „Freut euch mit Jerusalem und jauchzt in ihr alle, die ihr sie liebt! …auf dass ihr trinkt und satt werdet an der Brust ihrer Tröstungen, auf dass ihr schlürft und euch labt an der Brust ihrer Herrlichkeit! … auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt. Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“
Das Wesen der Kirche wird primär verkörpert durch Frauen. So gilt Maria als „Urbild“ der Kirche. Bei der Einkleidung von Ordensfrauen wird auf sie als einzelne das Wort des Paulus übertragen, das dieser auf die ganze Gemeinde bezieht: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen.“ (2 Kor 11, 2)
Hat die Kirche in der Vergangenheit in Lehre und Leitung vorrangig die Repräsentanz Christi durch den Priester als Mann entwickelt und institutionalisiert, dann ist heute die Zeit, die Repräsentation der Kirche durch die Frau aus den vorhandenen Ansätzen weiter zu entwickeln – in Parallele zur gesellschaftlichen Neufindung der Rolle der Frau als Zeichen der Zeit. Weiter zu entwickeln bis zur wirklichen Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit gegenüber dem männlichen Amt.
Daniela Mohr-Braun macht darauf aufmerksam, dass die Kirche nicht „dem göttlichen Herrn der Kirche nachgeordnet“ ist, sondern als Werkzeug und Organ des Heiligen Geistes ihm untrennbar verbunden ist. Wie im Empfangen durch den Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau „Gottes Wirken sich ursprünglich weiblich“ zeigt, so sei auch „die Kirche als Werkzeug des Heiligen Geistes … nicht minder weiblich.“ (basis Sept. 2019, S. 15) Mohr-Braun sieht hier einen „Schlüssel“ und einen „Weg aus der Sackgasse“ in der Frage nach dem Weiheamt.
2. Wie könnte dieser Weg aussehen und begangen werden?
Könnte es ein eigenes „Frauenamt“ in der Kirche geben? Das Frauen auf ihre Weise selbst entwickeln und gestalten? Ist es überhaupt wünschenswert, ein über viele Jahrhunderte männlich geprägtes Amt auf Frauen zu übertragen? Ein „Frauenamt“, das dem Priesteramt gleichwertig und gleichberechtigt wäre. Das durch keinen Mann ausgeübt werden kann.
Wenn der Mann im Amt sich eher als Repräsentant Christi versteht, so die Frau als Repräsentantin des Heiligen Geistes.
Wenn der Mann im Amt sich als Repräsentant Christi als Haupt der Kirche versteht, so die Frau als Repräsentantin der Kirche als Leib Christi, das heißt der Ganzheit und Fülle Christi.
Entscheidend ist die Gleichgewichtigkeit und Gleichberechtigung. „Irenäus von Lyon, ein Kirchenvater des 2. Jahrhunderts, spricht von den beiden Händen des Vaters: dem göttlichen Sohn und dem Heiligen Geist. Beide offenbaren die Liebe Gottes im Heilsgeschehen, gleich ursprünglich im wahrsten Sinne des Wortes …“ (Mohr-Braun a.a.O. S. 15)
Auf soziologischer Ebene käme das einer „Doppelspitze“ in der Leitung der Kirche gleich.
Das wirft viele Fragen auf, gewiss. Wie soll man sich das vorstellen? Hier will ich mich bewusst zurückhalten. Denn es wäre Sache der Frauen selber, ihrer Berufung entsprechend, im Hören auf das Sprechen Gottes durch die Verhältnisse und die Zeichen der Zeit, mit ihrer Fantasie und Kreativität, ein „Frauenamt“ zu entwickeln und auszugestalten. Sache von uns Klerikern ist zunächst einmal dies: Platz zu machen.
3. Die Vollmacht, ein neues Amt zu schaffen?
Aber gilt das Wort von Papst Johannes Paul II, die Kirche habe keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, nicht auch für die hier vorgetragenen Überlegungen: Hat sie nicht noch viel weniger die Vollmacht, ein neues Amt, ein „Frauenamt“ zu schaffen? Der Begriff „Amt“ in bezug auf die Frau hat hier eine eigene und andere Bedeutung: Es wäre kein Amt, das mit apostolischer Vollmacht „von oben übertragen“, sondern von der Gemeinde dazu berufenen Frauen aufgetragen würde. Es entspräche vielleicht eher dem Amtsverständnis der evangelischen Kirche. Theologische Grundlagen hierfür gibt es, wie dieser Artikel aufzuweisen versucht. Biblische Vorbilder paradigmatischer Frauengestalten und auch solcher in der Geschichte der Kirche gibt es reichlich, die allesamt nicht von den jeweiligen männlichen Autoritäten berufen oder eingesetzt wurden, sondern aus dem in ihnen wirkenden Geist redeten und handelten.
Frauen mit diesem Amt könnten weder den kirchlichen Autoritäten untergeordnet und von ihnen abhängig sein, noch charismatisch außerhalb der apostolischen Leitung angesiedelt sein. Vielleicht ist da ein Blick auf Orden und geistliche Gemeinschaften hilfreich: Mit ihren mit der kirchlichen Autorität ausgehandelten Satzungen haben sie ihr Eigenleben und ihre Eigenrechte und zugleich ihren legitimen Platz im Organismus der Kirche.
4. Stärkere Demokratisierung
Das wäre auch ein Element stärkerer Demokratisierung der Kirche. Denn der Priester leitet sich von dem Auftrag Christi und der Apostelnachfolge ab. Die Repräsentantin der Gemeinde würde von der Gemeinde gewählt und beauftragt.
Die Priester sind immer in der Gefahr und erliegen ihr allzu oft, Beamte zu werden und sich zu überinstitutionalisieren. Priesterliche Frauen – priesterlich durch ihre Taufe und als Verkörperung des gemeinsamen Priestertums aller Getauften – könnten stärker den Geist und das Prophetische in die Kirche einbringen, vielleicht, weil „in den Frauen eine prophetische Gabe steckt“ (so Anna Mirijam Kascher, a.a.O. S. 13).
5. Aber wer hat die Macht?
Die gegenwärtigen Diskussionen machen die Behandlung der Machtfrage unumgänglich. Auch diese müsste im Sinne einer Doppelspitze gleichberechtigt ausgeübt werden.
Wenn dem theologische oder kirchenrechtliche Einwände entgegenstehen, so ließe sich an eine von der Kirchenrechtlerin Sabine Demel vorgeschlagene „freiwillige Selbstbindung“ denken: „Der Diözesanbischof bindet sich selbst an den repräsentativ erteilten Rat des diözesanen Gottesvolkes, indem er das beratende Stimmrecht (eines Gremiums) zu einem entscheidenden Stimmrecht erhebt“. Dasselbe kann er in seiner Diözese für die Pfarrer und die Räte auf Pfarrebene festlegen. (Herder Korrespondenz Mai 2019 S. 41) Das heißt für unseren Zusammenhang: Eine zur Mitleitung bestimmte Frau hat dann auch Mitentscheidung, zu der sie als Repräsentantin einer kirchlichen Gemeinschaft ermächtigt ist.
Ich sage es lieber biblisch: Im alten Israel des Patriarchalismus, wo Männer über Frauen entschieden haben, soll ein Knecht Abrahams für dessen Sohn Isaak eine Frau besorgen. Er findet Rebekka und macht den Ehevertrag mit deren Vater. Doch Rebekkas Mutter und Bruder sagen: „Wir wollen das Mädchen rufen und es selbst fragen. Sie riefen Rebekka und fragten sie: Willst du mit diesem Mann ziehen? Ja, antwortete sie.“ (Gen 24, 57f) Das sollte ein Leitwort in der Kirche werden: Wir wollen die Frauen selbst fragen! Ein leitender Pfarrer müsste verpflichtet werden, für seine Entscheidungen das Ja der Gemeinde und ihrer Repräsentantin einzuholen. Nichts ohne sie. (Wenn schon „Bräutigam“, dann nichts ohne gleichberechtigte „Braut“)
6. Eine Führungsrolle auf Seiten der Gemeinde
In der Liturgie könnte es dafür einen Ansatz geben, der schon von heute auf morgen eine Frau als Repräsentantin der Gemeinde in Erscheinung treten lassen könnte. In der Allgemeinen Einführung in das römische Messbuch ist in der Eucharistie ein „Sprecher“ vorgesehen, „der den Gläubigen Erklärungen und Hinweise gibt, um sie in die Feier einzuführen und ihnen ein tieferes Verständnis zu vermitteln.“ Er soll „einen geeigneten Platz vor den Gläubigen“ haben. (68 a) Hier ist zwar weder ausschließlich an eine Frau gedacht noch an das in diesem Beitrag Entwickelte. Auch wird diese „Sprecher“-Funktion in unseren Gemeinden kaum wahrgenommen. Aber gerade in dieser Unbestimmtheit und Neuheit liegt eine Chance. Es ist hier ein gewisser Ansatz zu einer Führungsrolle auf Seiten der Gemeinde und im Gegenüber zum Priester im Ansatz vorhanden, der entwicklungsfähig und gestaltbar wäre. Diese Funktion könnte ausschließlich Frauen vorbehalten werden. (Auch ein tragender Ast eines Baumes war einmal ein kleiner Trieb.)
Warum nicht die Vision einer Eucharistie, in der der Priester als Mann und die Frau als Repräsentantin der priesterlichen Gemeinde in je ureigener unterschiedlicher priesterlicher Funktion aber gemeinsam wie die beiden Hände Gottes (vgl. oben: Irenäus) der Eucharistie vorstehen? Als Doppelspitze? Könnte nicht auch hier das Wort Gottes Geltung bekommen: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.“ (Gen 2, 18)?
Bild: Aufstieg der Erlösten zu Christus. Reichenau, Ende des 10. Jahrhunderts – Foto: © privat
Leser-Kommentar 6 – 09.01.2020
Die aktuelle Diskussion von Maria 2.0 wird eng geführt nur im Hinblick auf das kirchliche Amt. Die Gottesmutter hat nie ein Amt inne gehabt oder angestrebt. Dennoch hat sie einen unvergleichlichen Einfluss auf die Kirche. Jesus spricht sie an mit „Frau“ (Joh 2,4 und 19,26) .
„Wo das Geheimnis der Marianität der Kirche verschattet oder preisgegeben wird, da muss das Christentum eingeschlechtlich (homo-sexuell) werden…Die nachkonziliare Kirche (ist) …mehr denn je eine Männer-Kirche.“ (H.U. v. Balthasar, Das Marianische Prinzip, in: Klarstellungen, Fr 2/1970, 65-72, hier S. 70)
Der Blick auf Maria bedeutet Dienst und nicht Amt. Eine Art „Mariendienst“ könnte man ableiten von den theologischen Überlegungen zum „Witwendiakonat“ und zum Diakonat der Frau.
In der Geschichte der Kirche gibt es starke Frauen, die den Mächtigen und Einflussreichen ins Gewissen geredet haben, wie z.B. Maria von Magdala, Katharina v. Siena, Theresia v. Avilla, Hildegard, Gertrud v. Helfta u.a. Sie waren Ratgeberinnen für Bischöfe, Könige und Päpste. Könnte nicht auch der „Mariendienst“ eine solche Ratgeber-Funktion auf allen Ebenen haben?
In Stichworten:
Aufgaben: Beraterinnen von Pfarrern, Bischöfen, Papst und von daher auch Leitungsfunktionen auf der jeweiligen Ebene.
Befugnisse: Predigt, Wort-Gottes-Leiterin, Beerdigung, Segnungen aller Art.
Zulassung wie bei Diakonen, verheiratet oder ehelos.
Beauftragung: Von der Weiheliturgie abgeleitet: Handauflegung, Allerheiligen-Litanei (im Liegen) mit starken Frauen. Überreichung von Marienkleid oder Skapulier. Befragung des Volkes und der „Verantwortlichen“ usw.
Hans Scheuermann
Leser-Kommentar 5 – 08.01.2020
Die Synodenväter der Amazonassynode bitten darum, ein neues Amt zu schaffen: „die weibliche Gemeindeleiterin“’. Zur Gemeindeleitung sind auch bei uns in Deutschland schon große Schritte getan, auch für Frauen.
Beispiele
Verschiedentlich gibt es seit längerem – besonders auf den Nordseeinseln – Frauen mit Leitungsverantwortung: auf Juist Sr. Dr. Michaela Wachendorfer zus. mit gewähltem Kirchenvorstand, in Langeoog Susanne Wübker und auf Norderney den Pfarrbeauftragten Markus Fuhrmann. Ebenfalls im Bistum Osnabrück übernahm zum 1.12.2019 Christine Hölscher als Pfarrbeauftragte die Leitung der Pfarreingemeinschaft in Bad Iburg/Glane.
Wann wäre das früher möglich gewesen? Auch wenn es jetzt wahrscheinlich nur dem Priestermangel geschuldet ist. Und ‘Pfarrbeauftragte’ bedeutet ja wohl im Auftrag des Pfarrers??
Für mich ist nicht der wichtigste und erste Schritt der Schritt zu einem Frauenamt, sondern die Schritte in der Verantwortung zwischen Kleriker und Laien.
Natürlich freut man sich, dass die Rolle der Frau nun so besonders im Blick ist.
Zu 1.
„Der Priester handelt in der Person Christi, des Bräutigams“. „Wer repräsentiert die Kirche als Leib Christi?“ „Wer repräsentiert die Braut?“
Die Kirche als Leib Christi ist natürlich nicht nur weiblich. Wo sollte sich dann der Mann einordnen, der kein Priester ist?
So ist mit der Kirche als Leib Christi, als Braut, die ganze Gemeinde gemeint.
zu 3.
Wunderbar ist das Bild von Braut und Bräutigam in der Bibel und im Beitrag 3.0 entfaltet; ebenso die Zitate von Daniela Mohr-Braun, “die Kirche ist nicht dem göttlichen Herrn nachgeordnet, sondern als Werkzeug des Heiligen Geistes ihm untrennbar verbunden”,
wunderbar das Bild von der Kirche als Werkzeug und Organ des Heiligen Geistes, …
das Bild von den beiden Händen des Vaters: dem göttlichen Sohn und dem Heiligen Geist!
Der Mann, der Priester als Repräsentant Christi; die Kirche als Braut kann ich nicht nur als Bild für die Frau sehen.
Zu 5. und 6.
Wer hat die Macht? Und Führungsrolle auf Seiten der Gemeinde? Meinem Gedankengang folgend ist nicht das Frauenamt das Entscheidende, sondern das Laienamt.
Aber in der Eucharistie in der Funktion als Sprecher kann das gerne einer Frau vorbehalten sein. Wäre kein Widerspruch zur Gemeindeleitung, ob männlich oder weiblich.
Leser-Kommentar 4 – 08.12.2019
Lieber Herr Pfarrer Faulhaber,
das Thema “Maria 3.0” bewegt uns ja wohl alle. Ich habe mir gewünscht – entgegen meiner bisherigen Ansicht -, dass ich noch so lange lebe, dass ich Ihre und Diana Deutschs Vorstellungen erleben kann.
Es gab schon Kommunionfeiern, bereitet von Frauen, die mich sehr berührt haben. Und ich stelle es mir schön und bereichernd vor, wenn Männer und Frauen gleichberechtigt alles tun, um das Wort Gottes zu verkünden.
Herzliche Grüße
Maria Busch
Leser-Kommentar 3 – 06.12.2019
Lieber Herr Faulhaber,
kurz ein paar Worte zu Maria 3.0. Ich bin altkatholisch und erlebe deshalb immer wieder Priesterinnen im katholischen Ritus. Ich kann von meiner Seite aus sagen, dass dies wunderbar und sehr stimmig ist.
Eine Geschichte aus der Gemeinde Augsburg, die seit über 10 Jahren eine Priesterin haben. Sie hat dort eine neue Kirche aufgebaut. Die Gemeinde hat sich in der Zeit enorm vergrößert und ist sehr lebendig.
Aufgrund ihrer längeren Tätigkeit in Augsburg ging jetzt ein Junge zur Erstkommunion, der schon von der Priesterin getauft worden war. Nach einem Gottesdienst stellte sich der Junge vor die Priesterin und fragte: „Kann eigentlich auch ein Mann Priester werden?“
Herzliche Grüße
Dr. Ulrike Kutscha, Heidelberg
Leser-Kommentar 2 – 05.12.2019
Lieber Herr Faulhaber, Freiheit und Gleichheit kann es nur dort geben, wo alle alles tun dürfen. Wie es der Geist eingibt. Ein „Männeramt“ und ein „Frauenamt“ in der Kirche? Gegen diese Vorstellung wehrt sich alles in mir. Auch wenn sie sicher gut und richtig gemeint ist. Von hoher Theologie verstehe ich nicht viel.
Eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ ist ein Almosen, das ein Besitzender einem Bedürftigen gewährt.
Ich denke immer öfter: Die Pastoral am Puls lehrt doch sehr zu Recht, dass wir auf die Zeichen schauen sollen, die Gott in der Welt wirkt. Wenn wir auf die katholische Kirche schauen, was sehen wir da? Sieht es so aus, als wäre Gott mit ihr zufrieden und glücklich? Sieht es nicht eher so aus, als wünsche er sich mehr Variation, mehr Buntheit, mehr Freiheit, mehr Offenheit, mehr Toleranz.
Herzliche Grüße
Diana Deutsch
Frau Deutsch schrieb weiter:
Vor ein paar Jahren erhielt ich von der RNZ (Rhein-Nackar-Zeitung) einen merkwürdigen Auftrag: Ich sollte beschreiben, wie es um die Kirche und den Glauben im Jahr 2030 bestellt ist. Eine Vision, wenn man so will. Es war ganz seltsam: Der Text floss einfach so aus mir heraus. In einer halben Stunde stand er druckreif da. Normalerweise brauche ich für so etwas Tage.
Ich habe die Geschichte kürzlich wiederentdeckt. Ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich den Text lesen.
http://www.deutsch-blog.de/kirche-2030-ein-herz-und-eine-seele/
Leser-Kommentar 1 – 04.12.2019
Lieber Herr Faulhaber,
Ihre Gedanken und Inspirationen lösen sehr gemischte Reaktionen in mir aus. Spontan geht mir beim Lesen Ihrer Gedanken das Herz auf. Die Komplementarität und Ganzheit, und das aufeinander liebevoll bezogen-Sein von Braut und Bräutigam, von Kopf und Leib, das sind schöne, heilige, herzerwärmende Urbilder, die das Potential haben, von einer neuen, biblischen, symbolischen Seite her nach neuen Lösungsansätzen zu suchen.
Wenn… – ja, wenn ich meine eigenen Idealbilder zugrundelege, wie die Beziehung von Mann und Frau, von Kopf und Körper, eigentlich “gemeint” und auch psychisch gesund ist: eine Integration von Polaritäten, die gleichwertig sind, sich gegenseitig benötigen und bereichern, und ohne einander unvollständig und sehnsüchtig sind wie in Platons Metapher von Mann und Frau als zwei unvollständigen Hälften einer Kugel ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kugelmenschen). So lese ich auch Ihren Text.
Aber… – die Wirklichkeit in Sozial- und Geistesgeschichte sieht anders aus.
Mann und Frau:
- Rebekka kann sich ihren Mann eben nicht aussuchen. Sie kann bestenfalls Ja sagen (und was wären die sozialen Folgen und der Status einer Frau gewesen, die Nein gesagt hätte?)
- Vor zwei Wochen hatten wir das Evangelium von der Frau, deren Ehemann kinderlos stirbt. Sie wird von Mann zu Mann weitergereicht wie eine Zuchtkuh, die man halt dann von einem anderen Stier decken lässt, und die nur in der Funktion, für Nachkommen zu sorgen, überhaupt eine Rolle spielt, nicht als Person.
- Meine Mutter musste noch bis 1977 die Genehmigung ihres Mannes einholen, dass sie überhaupt berufstätig sein darf. (https://fondsfrauen.de/frauen-im-deutschen-recht-keine-50-jahre-ist-es-her/)
- Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 (nach der Geburt meiner älteren Tochter) überhaupt strafbar, und das, selbst in unserem Land, noch gegen 138 Gegenstimmen im Bundestag (https://sz.de/1.3572377)
- Die Zahl der angezeigten Gewaltdelikte von Männern gegen ihre aktuellen oder früheren Partnerinnen in Deutschland ist 2018 erneut leicht gestiegen. 122 Frauen wurden getötet. (https://sz.de/1.4696121)
Und in Deutschland sind wir im internationalen Vergleich in dieser Hinsicht noch eine Insel der Seligen. Taugt gerade dieses Bild von Braut und Bräutigam also wirklich als Vorbild einer ebenbürtigen und nicht von Gewalt und Herrschaft geprägten Bezogenheit?
Kopf und Körper, Leib und Seele:
Dasselbe gilt für das Verhältnis von Leib und Seele. Aktueller Stand der Wissenschaft ist die Supervenienz (https://www.researchgate.net/publication/327282302_Der_Leib-Seele_Dualismus_im_Wandel_der_Zeit): Der Geist (das Immaterielle, Mentale) ist zwar nicht der Körper,aber existenziell abhängig von seinem Körper (von dem Materiellen, Neuronalen, Physikalischen). Soweit wir aus der Erfahrung wissen, entsteht der Geist durch den Körper, wird von ihm erhalten und muss mit ihm erlöschen. Interessant, dieses Konzept auf Ihren Ansatz anzuwenden, das Verhältnis von Priesteramt zur Kirchengemeinschaft damit zu vergleichen.
Aber in der beinahe kompletten Geistesgeschichte wurde der Leib als niedrig, schmutzig, sündig, minderwertig angesehen, und der Geist als das eigentlich gereinigte, gottnähere, wertvollere, das durch die “Verdunklung” des Leibes eher beschwert, beschmutzt, herabgezogen wird. “Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach”.
Auch in dieser Metapher ist also, wenn wir uns die tatsächlichen Haltungen und Wertungen in unserer Geistesgeschichte ansehen, die ja weiterhin gerade in kirchlichen Kreisen nachwirken, eben nicht die Gleichwertigkeit und Komplementarität enthalten, die Sie eigentlich beabsichtigen.
Darum ist meine Rückmeldung insgesamt, dass die von Ihnen vorgeschlagenen Orientierungspunkte das Problem nur auf eine andere Ebene verschieben. Wenn wir das Verhältnis von den unterschiedlichen Ämtern an diesen Metaphern orientieren, dann landen wir womöglich statt in der von Ihnen intendierten Ebenbürtigkeit in einer noch größeren Sprachverwirrung, was wir mit diesen Urbildern eigentlich meinen und aussagen wollen. Und das gilt ganz besonders im Blick auf die Weltkirche mit ihren interkulturell sehr unterschiedlichen Grundannahmen. Welche Schlussfolgerungen aus diesen Bildern abgeleitet werden, hängt vom Verständnis der Bilder selbst ab, und damit ist, wie oben dargelegt, nichts gewonnen, und möglicherweise geraten wir mit ihnen eher vom Regen in die Traufe.
Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Diskussionsbeitrag (und mit deren Einverständnis auch den anderer) ebenfalls auf der Seite Pastoral am Puls zugänglich machen würden.
Herzliche Grüße,
Barbara Fischer-Bartelmann
Dipl.-Psych., M.A., Heidelberg