„Der Lockdown ist bunt!“

Team arbeitet an einer Schriftrolle

Nun ist er da, der zweite Lockdown in Deutschland. Er betrifft zwar nicht so viele Bereiche wie im Frühjahr. Aber nach Monaten der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie scheint er noch mehr zu zehren. Und das jetzt noch im November, der ja eh schon grau ist…
„Der Lockdown ist bunt!“ so klingt in mir der erstaunte Ausruf einer der Jüngsten in unserem Kirchengemeinderat nach. Ein Lockdown ist doch einschränkend, schwer, manchmal bedrückend…! Wie kommt jemand dazu, zu sagen, der Lockdown sei bunt?!

Die Geschichte ist schnell erzählt: Wie jedes Jahr haben wir im Oktober auf das vergangene Jahr in unserer Kirchengemeinde geschaut. Das tun wir seit langem, indem wir unsere Gemeindeschriftrolle aufrollen und in Ruhe noch einmal das auf uns wirken lassen, was wir im Lauf der letzten Monate dort an Erfahrungen, Eindrücken, Bildern… aus dem Leben der Gemeinde gesammelt haben. Auch in diesem Jahr war uns unser Jahresthema eine Hilfe: „Du bist ein Brief!“ so lautete es. Mit diesem Fokus haben wir die Eintragungen auf unserer Schriftrolle noch einmal betrachtet: Vielleicht gibt es in den Erfahrungen und Stimmen, die sich dort niederschlagen, etwas, bei dem uns beim erneuten Lesen kommt: Das steckt doch eine Botschaft drin! Und wir haben versucht, die Botschaften in den Vorgängen auf kleine Karten in Form eines Briefumschlags zu schreiben und an die Stellen auf der Schriftrolle zu legen, an denen diese Botschaft zu „hören“ ist.

So sind viele Botschaften ganz unterschiedlicher Art zusammengekommen. Dann haben wir uns schön in „Corona-Abstand“ entlang der Schriftrolle aufgestellt. So konnte jede und jeder einen Ausschnitt der Schriftrolle und der „Botschaften“ überblicken. Kannst du das auf den Punkt bringen, was du da siehst? So kamen eine Reihe von Worten und Sätzen zustande – „herausgehört“ aus dem, was sich da zeigt. Und einer dieser Sätze war zum Erstaunen aller: „Der Lockdown ist bunt.“

Wer unsere Gemeindeschriftrolle der letzten Monate anschaut, der versteht sofort, wie das kommt: Tatsächlich, die Zeit des Lockdown im Frühjahr ist die bunteste Phase. Man kann das sehr praktisch erklären, weil wir uns weder zu Gottesdiensten noch in Gruppen und Gremien treffen konnten, waren in unseren Kirchen große Netze aufgehängt, auf denen die Kirchenbesucher bunte Karten mit Erfahrungen und Bildern anbringen konnten. Diese haben wir dann später in die Schriftrolle eingeklebt.

Dass hinter der Eindruck des „bunten Lockdown“ jedoch mehr steckt als nur ein zufälliger optischer Eindruck, das zeigt sich auch in den anderen Sätzen, die uns als Botschaften aus den letzten Monaten, die ja alle irgendwie von Corona geprägt waren, entgegenkamen. Gerne gebe ich sie auch hier weiter:

„Der Lockdown ist bunt!“
„Gemeinschaft verbindet!“
„Gott spricht: Gemeinde kommt zu mir – ganz persönlich!“
„Die kleinen Dinge wertschätzen!
„Es gibt immer einen Weg!“
„Steh auf!“
„Begegnung!“
„Lenke den Blick auf die positiven Dinge!
„Vielfalt, weil viele beteiligt sind!“
„Krisen wecken Kreativität“
„Nichts ist selbstverständlich!“

Vielleicht klingt in dem, was wir erleben, ja auch Gottes Stimme. So kam das Wort aus der Bibel ins Spiel: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht eure Herzen.“ (Hebr 3,15 und 4,7) Eine Anspielung auf eine Krisensituation des Volkes Israels bei „Massa und Meriba“ – „Probe und Streit“. Vielleicht lädt uns die gegenwärtige Krisensituation auch ein, gerade jetzt auf seine Stimme zu hören, und das Herz nicht hart, sondern weit zu machen…

Der Lockdown im grauen November bringt manches Schwere mit sich, zweifellos. Wie gut ist es jedoch, dann die Botschaften aus dem ersten Lockdown im Kopf und im Herzen zu haben: Ja, der Lockdown ist bunt!


von Bernhard J. Schmid, Eislingen
Foto: privat

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