1 Vertiefungstexte – Der Gott des Lebens

Der Gott des Lebens – Schritt 1

Als Gottes Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen wir Gottes Handeln im Geschehen der Welt, in den Geschichten der Menschen und Gemeinden und im Leben.

Grundaussage des Christentums

Mit der Überzeugung vom Wirken und Handeln Gottes stehen und fallen das Christentum, ja, die Offenbarungsreligionen überhaupt:

Siebenrock:

„In unserem Sprechen vom Handeln bzw. Wirken Gottes berühren wir die zentrale Kategorie der christlichen Gottesrede. Die biblische Rede vom lebendigen Gott ist ohne göttliches Handeln in der Geschichte mitten unter uns undenkbar. …
Konstitutiv ist nicht nur für das Christentum, sondern für jeden monotheistischen Offenbarungsglauben die Überzeugung, dass Gott in der menschlichen Geschichte und im individuellen Leben wirkt, ja dass er handelnd darin präsent ist.“ (Handeln Gottes S. 12)

Nach Stosch stellt „die Rede vom Handeln Gottes in der Welt in der Tradition einen derart zentralen Bestandteil des jüdisch-christlichen Bekenntnisses zur Geschichtsmacht JAHWES dar…, dass sie als theologische Basiskategorie anzusehen ist.“ (Stosch, Gott – Macht S. 22)

Böttigheimer:

„Ein Gott, der in der Welt nicht als Person, als freies Subjekt handeln kann, ist für uns bedeutungslos.“ (St. Weinberg, Die Frage nach Gott. Zitiert von Böttigheimer S. 163) „Die Rede vom persönlichen Handeln Gottes in Welt und Geschichte steht im Zentrum des biblischen Glaubens und übt für alle theologischen Themen eine Schlüsselfunktion aus. Verliert darum die Rede vom freien göttlichen Handeln ihre Überzeugungskraft, wird dem im geschichtlichen Offenbarungshandeln Gottes gründenden Glauben seine Basis entzogen.“ (S. 9)

Bausenhart:

„Der Bibel ist es selbstverständlich zu bezeugen, dass Gott handelt, spricht, sich zu erkennen gibt, sich offenbart. Israel schreibt seine eigene Existenz und Identität dem Handeln seines Gottes zu: … Das Alte Testament beschreibt auch die Geschichte Israels als eine unter der Führung Jahwes; selbst die Katastrophen der Eroberung Jerusalems und des Exils in Babylon lassen nicht an seiner treuen Führung (ver-)zweifeln. “ (Begegnung S. 25)
„Glaubenserfahrung … setzt voraus, dass Gott Menschen begegnet, dass Gott sich Menschen zu erkennen gibt, dass er sich zeigt und sich sehen, sich sagt und sich hören lässt, dass er Menschen anspricht und in Anspruch nimmt, dass Gott handelt innerhalb der Lebenswelt der Menschen – nicht damit dem Menschen Hören und Sehen vergehe, damit er vielmehr als >Hörer des Wortes< (Karl Rahner) glaubend zur >Schau der göttlichen Herrlichkeit< (Hans Urs von Balthasar) finde und solchem Schauen und Hören – Resonanz dieser ansprechenden Begegnung – die größtmögliche Ent-sprechung diesem Anspruch gegenüber ergründe, der ihn >unbedingt angeht< (Paul Tillich) …“ (Einführung S. 249)

Die Bedeutung des Handelns Gottes kann im Werk Josef Kentenichs gar nicht hoch genug eingeschätzt werden:

„Wer … selbst die Schönstattgeschichte mitgelebt hat, weiß, dass nirgendwo menschliches Klügeln und Planen ungebührlich im Vordergrunde stand.
Oberstes und unabdingliches, absolutes Grund- und Richtungsgesetz war und blieb Gottes Wunsch und Wille, seine geheimnisvolle Planung mit Schönstatt.
Die permanente und immanente Erkenntnisquelle, die nur langsam und stückweise den Schleier von diesen Plänen wegzog, war und blieb der helldunkle praktische Vorsehungsglaube oder das Gesetz der geöffneten Türe. Hell war die Erkenntnisquelle, weil sie stets Licht ausstrahlte; dunkel, weil sie nicht selten so umflort war, dass sie auch einen Todessprung für Verstand, Wille und Herz verlangte und deshalb heroische Forderungen an den ganzen Menschen und die ganze Familie stellte…
Im Laufe der Jahre hat sie sich in einem Ausmaß entfaltet, dass man mit Recht den praktischen Vorsehungsglauben – der durch die Gaben des Heiligen Geistes sich zu einer übernatürlichen Instinkt- und Griffsicherheit ausgereift hat, die selbstverständlich der Kontrolle der Kirche unterworfen bleibt -, schlechthin unsere Weltanschauung genannt und darauf hingewiesen hat, dass dieses Specificum so ausgeprägt in Erscheinung tritt wie sonst selten in der Heilsgeschichte.
Tatsächlich lassen sich alle Elemente unserer inneren und äußeren Struktur und alle Entschließungen und strategischen Maßnahmen zwanglos darauf zurückführen. So mag man verstehen, daß wir die Botschaft vom praktischen Vorsehungsglauben eine spezifische Schönstattbotschaft nennen und das Geschenk dieses Glaubens per eminentiam zur Wallfahrtsgnade der seelischen Umwandlung zählen.
Die dadurch bestimmte warmgläubige, lebensnahe, nüchterne, allem Außergewöhnlichen abholde seelische Haltung hat unsere Geistigkeit in greifbarer Weise unverlierbar geprägt und ihr das charakteristische Merkmal aufgedrückt, das Jahr für Jahr stärker in die Erscheinung getreten ist. (Nüchterne Frömmigkeit S. 37 – 38)

Göttliche Initiative

Kentenich geht über dieses Verständnis vom Handeln Gottes hinaus, wenn er bei außergewöhnlichen schöpferischen und geschichtswirksamen Ereignissen von „göttlicher Initiative“ spricht oder vom „Einbruch des Göttlichen“, der zugleich als „Aufbruch“ von Seiten des Menschen geschieht und als „Durchbruch“ Kreise unter den Menschen und in die Zukunft zieht. (Siehe Schritt 14.1)

Diese Rede vom „Einbruch“ ist nicht als wunderhaft im Sinne von: gegen Gesetze der Natur oder der Geschichte gemeint. Dasselbe gilt für das Wort vom „Eingreifen“ Gottes:

Büchner:

“Insofern es die Schöpfung ‚gibt‘ (und sie sich gibt), kann dieses Eingreifen mit ihr zusammen geschehen, es muss aber auch gegen sie geschehen, insofern sie auch (verdrängend) ‚ist‘, nicht ohne die Schöpfung also, jedoch mit ihr gegen die ihr eigene nicht-dialogische Aktivität des Sich-Abschließens.“ (S. 353)

Rahner:

„Weil die Freiheitsreaktion des Subjekts als eines solchen selbst noch einmal in aller Wahrheit für das Subjekt selbst das ihm Zugeschickte ist, ohne dass ihr dadurch der Charakter der eigenen verantwortlichen und unabwälzbaren Tat genommen würde, trägt die gute Entscheidung mit all dem, was sie als ihre Vermittlung voraussetzt, mit Recht den Charakter des Eingreifens Gottes, auch wenn diese sich durch die Freiheit des Menschen hindurch ereignet“. (nach Büchner S. 354, A 757)


Literatur:

Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie. Freiburg / Basel / Wien 2010
Bausenhart
, Guido: Von der Begegnung mit Gott: Materialheft GPS. Freiburg 2017
Böttigheimer, Christoph: Wie handelt Gott in der Welt? Reflexionen im Spannungsfeld von Theologie und Naturwissenschaft. Freiburg / Basel / Wien 2013
Büchner
, Christine: Wie kann Gott in der Welt wirken? Überlegungen zu einer theologischen Hermeneutik des Sich-Gebens. Freiburg / Basel / Wien 2010
Kentenich
, Josef: Nüchterne Frömmigkeit. Turowskibriefe 1952/1953, Studien Band I, hrsg. von Heinrich Hug, als Manuskript gedruckt, Vallendar-Schönstatt 1995
Siebenrock, Roman und Amor, Christoph J. (Hrsg.): Handeln Gottes. Beiträge zur aktuellen Debatte, Quaestiones Disputatae 262, Freiburg / Basel / Wien 2014
von Stosch, Klaus: Gott – Macht – Geschichte. Versuch einer theodizeesensiblen Rede vom Handeln Gottes in der Welt. Freiburg / Basel / Wien 2006


Foto: pixabay.com

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