12 Vertiefungstexte – Macht in der Schwachheit

eine Pfanze bricht den Asphalt auf
12 Macht der Schwachheit – Schritt 12

Gottes Handeln schafft Leben. Alles Leben beginnt im Kleinen. Jesus vergleicht das Reich Gottes mit dem kleinsten Samenkorn. Leben wächst und breitet sich aus im Stillen, langsam, unter Widerständen, durch Krisen, unter Gefährdungen und Verwundungen.
Im Zeitalter der Medien, der Massenbewegungen und Werbung arbeiten wir mit dem Leben und vertrauen darauf, dass das Leben stets stärker ist.

Bernhardt im Anschluss an Paulus 1 Kor 1,25: „Das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“ und 2 Kor 12,9: „Meine Gnade … erweist ihre Kraft in der Schwachheit“.
„Gottes Weltwirksamkeit eignet nicht die Gewalt unbedingter Selbstdurchsetzung, sondern die geistige ‚Macht der Schwachheit‘, >denn die Liebe setzt sich nicht anders durch als allein durch Liebe>“ (E. Jüngel). Sie bleibt eine Gebrochene, weil an widerstrebenden >Mächten< immer wieder Brechende“, „immer nur im Konflikt mit den Strukturen der gegenwärtigen Weltverfassung“. (S. 453)

Dennoch erweist sie sich als Macht
– „in der Gabe von lebensermöglichender Kraft“,
– „im Aufbau lebenssteigernder Strukturen zunehmender Komplexität und Interrelationalität“,
– „in der immer neuen Ausrichtung auf das Vollendungsziel der Fülle des Lebens“.
– „Zu dieser >konstruktiven< Wirksamkeit gehört immer auch die >destruktive<, wie sie sich etwa in der Sprengung verfestigter, lebensfeindlicher Formen vollzieht“,
– „in der Durchbrechung kreativitäshemmender Systemabschließungen und –verfestigungen“,
– „in der Destruktion destruktiver autoteleologischer Egozentrismen“. (S. 453)

Das hat sprachliche Konsequenzen: „Statt der Bildersprache absoluter Herrschaft oder patriarchaler Autorität sind Metaphern organischen Wachstums, mütterlicher Sorge und interpersonaler Bewußtseins- und Willensbildung in Erwägung zu ziehen.“ (S. 454)
Um eine „Reduktion auf den Deus faber“ zu vermeiden, stellt Jürgen Moltmann den … Metaphern des schöpferischen Machens die … des schöpferischen Sein-Lassens gegenüber: ‚Gott schafft nicht nur, indem er etwas ins Dasein ruft oder ins Werk setzt. In einem tieferen Sinn >schafft< er, indem er sein-läßt.‘“ (S. 454)

„Die ‘Macht der Schwachheit’ darf jedoch nicht im Sinne einer ‘Ohnmacht’ Gottes aufgefasst werden“. „Denn sie lässt sich durchaus verbinden mit dem Bekenntnis zur Macht Gottes“. „Dies bringt J. Werbick treffend zum Ausdruck: ‘Gott will nicht die Ohnmacht der Liebe … Gott will, dass die Liebe herrsche. Aber er schafft seinem Willen nur auf den Wegen und mit den Mitteln der Liebe Geltung’.“ (S. 455)

Von H. Berkhof übernimmt Bernhardt den Begriff der „defenseless supreme power (weerloze overmacht)“: „In Kreuz und Auferstehung habe sich die Wehrlosigkeit der Übermacht Gottes als wesenhafte Gestalt seines Weltwirkens paradigmatisch manifestiert.“ (S. 455f)

Kessler: Das „durch menschliches Handeln vermittelte Gotteshandeln erfolgt – wie von der Auferweckung des Gekreuzigten her ersichtlich ist – oft verborgen unter dem Gegenteil: Zentral in der Niedrigkeit des irdischen und in der Ohnmacht des gekreuzigten Jesus; da ist kein machtvolles Eingreifen zu sehen, alles Entscheidende geschieht in der uneingeschränkten, gewaltlosen Dahingabe Jesu an Gott und an die andern Menschen. Dann aber auch in der Mehrdeutigkeit des Geistwirkens; Gottes Kraft bzw. die Kraft der Auferstehung Jesu wirkt in der Schwachheit etwa des Paulus oder der korinthischen Gemeinde (vgl. 1 Kor 1,26ff; 2,3ff; 2 Kor 12,9f; Phil 3,7ff). Gott handelt also in der Niedrigkeit und Machtlosigkeit derer, die sich ihm öffnen und gerade so (in der von Gott gewirkten Agape) für andere dazusein beginnen. In der Agape nimmt der Mensch ja seine Eigenmacht zurück und verzichtet auf Selbstdurchsetzung, um den Anderen zur Geltung kommen zu lassen. In dieser Machtlosigkeit des Für-andere-da-Seins gewinnt Gott Macht und Raum in der Welt. In diesem Sinne ist Gott selbst ‘ohnmächtig und schwach in der Welt, und gerade so und nur so ist er bei uns und hilft uns’ (D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. S. 242).”(S. 295f)

Für Kentenich ist diese Macht der Schwachheit eine durchgängige Erfahrung seines Lebens, Wirkens und des durch ihn entstandenen Werkes. Er sieht sie vor allem in der Schwachheit der von Gott in Dienst genommenen menschlichen Werkzeuge. Das gründet in seinen persönlichen Erfahrungen als damals unehrenhaftes uneheliches Kind (später ein Weihehindernis), aufgewachsen im Waisenhaus, als einsamer und unverstandener Jugendlicher, als Student in existenzbedrohenden geistigen Krisen, als Mensch mit schwacher Gesundheit, einmal von den Ärzten schon aufgegeben. Die Mitarbeiter bei der Gründung seines Werkes:“eine Winkelgesellschaft, kleine Knirpse, durch den Krieg zerstreut, … viel Schutt und Treibholz“. Dies ließe sich fortsetzen; die Stichworte Nationalsozialismus, KZ und 14jährige Verbannung durch die Kirche genügen.

Wo er Anzeichen eines göttlichen Wirkens sah, da war menschliche Schwachheit für ihn sogar ein Kennzeichen dieses Wirkens. „Wie oft war in der Weltgeschichte das Kleine und Unansehnliche die Quelle des Großen und Größten. Warum sollte das bei uns nicht auch der Fall sein können?“ (18. 10. 2014). Damit begann er sein Werk. Oft und oft wiederholte er: “Du bist’s, der größte Werke nur durch die Kleinsten tut.” Er regte an, seine Schwachheit Gott anzubieten im Vertrauen, dass sich darin am meisten Gottes Macht zeigen könne.

Ähnlich war es mit den Widerständen, die sich zeitlebens seinem Tun entgegenstellten und ihn zu endlosen Kämpfen herausforderten. Weil dennoch Großes wurde, waren für ihn „Schwierigkeiten und Schwächen“ „die Signatur der Werke Gottes“. (Zitate aus: 3. Gründungsurkunde, 18. 10. 1944)

 


Literatur:

Bernhardt, Reinhold: Was heißt „Handeln Gottes“? Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung. Gütersloh 1999
Kentenich, Joseph, Vorsehungsglaube. Turowskibriefe 1952/1953. Studien Band 2, als Manusskript gedruckt, Vallendar o.J.
Kessler, Hans: Sucht den Lebenden nicht bei den Toten. Würzburg 1995


Foto: pixabay.com

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