15 Vertiefungstexte – Spurensuche

Spuren im Sand

15 Spurensuche – Schitt 15

Die Worte des Ignatius von Loyola »Gott unseren Herrn in allen Dingen suchen« oder »Gott unseren Herrn in allen Dingen finden« wurden zu Grundworten ignatianischer und jeder lebensnahen Spiritualität. Bei Kentenich in der erweiterten Fassung: Gott suchen, finden und lieben in allen Menschen, Dingen, Ereignissen und Verhältnissen.

In all dem zeigt sich, gibt und spricht Gott. (1) Die „Spurensuche“ will ihn in all dem suchen, finden und lieben (2). Sie will übergehen in ein Verfolgen seiner Spuren, so dass sie zu unserer eigenen Spur werden.

Aus dem Vor-Gehen Gottes lesen wir unser eigenes Vorgehen ab; seine Spuren zeigen uns sowohl die konkreten Schritte für unser Handeln als auch Richtung und Ziel unserer Wege.

zu (1) Hier ist eine Unterscheidung hilfreich:

Kentenich: Der Glaube zeigt uns Gott

  • „in seiner väterlich-göttlichen Vor- und Fürsorge für die gesamte Welt der Schöpfung und Menschen“ (nach der traditionellen Theologie providentia divina generalis oder concursus generalis divinus genannt: allgemeine Vorsehung)
  • „in seiner persönlichen Interessiertheit für jeden einzelnen Menschen“ (providentia divina specialis: spezielle oder individuelle Vorsehung)
  • in geschichtsschöpferischen Persönlichkeiten und Gemeinschaften, wie sie vor allem in der ganzen Heilsgeschichte auftreten (s. 28.1) (providentia specialissima – vgl. 1.2) (King, 63)

Zur Vereinbarkeit der Universalität (providentia divina generalis) mit der Partikularität (providentia divina specialis) des Wirkens Gottes schreibt Büchner:

„Gott, als Sich-Geben gedacht, vermittelt sich interaktiv mit allen Momenten der Welt (als ihr Urgrund, ihr Raum und ihre Mitte) durch seine allem Gegebenen in gleicher Weise geltende Zugewandtheit. Diese (universale) Zugewandtheit ist aber eine ganz persönliche Ich-Botschaft. Sie zielt und wartet darauf, gehört zu werden und jeden in der ihm angemessenen Weise zu erreichen. Es zeichnet also Gottes Wirken aus und ist keineswegs ein Mangel, wenn er sich – in partikularer Zuwendung –auf das einzelne Individuum einlässt. Deswegen konnte überhaupt eine geschichtliche Person in ihrer Partikularität, Jesus von Nazareth, uns Gott, wie er für alle ist, ganz und gar nahe bringen. Die universale Gabe des Füreinanderseins verwirklicht sich nur in der partikulären Zuwendung, im konkreten Austausch und Dialog mit den Einzelnen. Gott, so können wir auch sagen, sagt dem Einzelnen (durch sein schöpferisches Wirken/Sich-Geben, das allmählich überzeugt, nicht einfach mit einem in die Allgemeinheit hineingesagten Wort): Du bist mir wichtig. Deswegen musst du keine Angst um dich haben. Aber das sagt er allem und jedem.“ (S. 356-357)
„Gott wirkt am Gelingen des Kosmos, indem er am Einzelnen wirkt, und er wirkt am Glück des Einzelnen, indem er das Gesamte des Kosmos berücksichtigt.“ (S. 358)

Bernhardt bevorzugt es, von „unterschiedlichen Graden der Verdichtung (=Konzentration) von Geistpräsenz“ zu sprechen. (S. 402)
Neben den traditionellen drei Unterscheidungen, die mehr vom Adressaten des Handelns Gottes ausgehen, gibt es eine, die eher die Art des Handelns Gottes qualifiziert, „zwei Brennpunkten einer Ellipse gleich“:
Das „Welt- und Heilshandeln Gottes“ (reformatorische Theologie, die aber „dem biblischen Befund nicht gerecht“ wird. Im AT ist „Gottes Schöpfungswerk“ durchgehend schon „Heilswerk und Beginn der Heilsgeschichte“, beschrieben in der Kategorie des Segnens Gottes), also besser:
Gott handelt:

segnend <–> rettend 
oder
„schöpferisch und segnend” <–> “befreiend und rettend“
oder
bergend <–> befreiend
oder
stabilisierend <–> aufbrechend. (S. 452)

Gottes Wirken zeigt sich im „Gefälle von
prävenierender Verheißung,
begleitender Segnung
und postcurativer Zurechtbringung“ (s. 12.1)
„und Beauftragung mit einem Mandat“ (S. 464)

In der Pastoral bewirkt die Erfahrung des fürsorgend/ segnenden Handelns Gottes Vertrauen, Dankbarkeit und Lobpreis,
die Erfahrung seiner zu Aufbruch und Rettung rufenden Geschichtsmacht eigene mitwirkende Initiative.

Gott spricht durch die Verhältnisse:
Dies findet sich auch bei Vincent Brümmer: Gott arrangiert die „faktischen Umstände“ so, dass die Menschen befähigt werden, zu tun, was er will. (Bernhardt S. 350)

zu (2)

Kentenich: „überall den lieben Gott wittern, überall den lieben Gott suchen, überall den lieben Gott finden und gleichsam immer Hochzeit mit ihm halten…
Wer glaubt, … der wird schon selig dadurch, dass er hier auf Erden den lebendigen Gott umgreift, des lebendigen Gottes innewird, sich gleichsam mit ihm vermählt, Herz mit Herz tauscht.“ (1965. King S. 178f)

„Der außerordentlich stark betonte praktische Vorsehungsglaube … bringt uns während des Alltags ungezählt viele Male in lebendigste Fühlung mit dem lebendigen Gott der Geschichte, der uns in allen Situationen begegnet und eine Antwort erheischt.“ (Vorsehungsglaube S. 195)
weitere Hinweise Kentenichs, was alles „Spuren“ sein können:

  • „Gottes Wink und Wunsch, den er wegweisend durch die Seinsstruktur von Menschen und Dingen sowie durch Verknotung und Aufknotung öffentlicher und privater Verhältnisse kundtut und zum Hauptkalendarium und Hauptfahrplan des Lebens und Wirkens gemacht wissen will.“ (King S. 421)
  • „Der einfache, praktische Vorsehungsglaube, der hinter Zeitnöten und Zeitbedürfnissen, hinter dem großen Weltgeschehen und den Fügungen und Führungen im kleinen Kreis immer klar und deutlich die knüpfende und verknüpfende, die gütige und mächtige Vaterhand und den bittenden Vaterwunsch zu sehen, zu erkennen und zu beantworten verstand.“ (King S. 417)
  • Gott spricht „durch die Entwicklung. Durch die Geschichte“. (King S. 411)
  • „..mag es sich dabei handeln um das gesprochene Wort, um freiwirkende Zweitursachen, um Zeitenströmungen und Weltgeschehen oder um Fügungen und Zulassungen im persönlichen Leben.“ (King s. 413)
  • „Die geschaffenen Dinge sind nicht nur inkarnierte Gottesgedanken, sondern auch Gottes Wünsche. Fassen wir jedes geschaffene Ding auf als ein Wort von und über Gott, so dürfen alle geschaffenen Dinge … als ein großes Bilderbuch Gottes, als ein Lesebuch über ihn, als eine lebendige Gotteslehre angesprochen werden, die uns bei der Ermittlung der göttlichen Wünsche selten im Stich lässt.“ (King S. 415)
  • Gott spricht zu uns durch die Heilige Schrift und durch innere Anregungen und Erleuchtungen.“ (King S. 413)
  • Die „Seinsstruktur bin in feine und feinste Verästelungen“ (King S. 416); „das Sein der Geschöpfe und das Sein der Lebensvorgänge“ (King S. 419)
  • „Wunsch und Willen der Kirche und der Vorgesetzten, .. Satzungen und Brauch“. (King S. 414)

Bausenhart: „Dass Gott in allem: allen Dingen, allen Ereignissen, allen Begegnungen mit Menschen, gerade in Alltagssituationen zu suchen und zu finden sei, ist die große spirituelle Intuition und Botschaft des Ignatius von Loyola, Karl Rahners Ordensvaters… Karl Rahner weist darauf hin, >dass auch die kleinen Dinge unsagbare Tiefen haben, Boten der Ewigkeit sind, immer auch mehr sind als sie selbst, wie Wassertropfen sind, in denen sich der ganze Himmel spiegelt, wie Zeichen, die über sich selbst hinaus verweisen, wie vorauslaufende Boten, die, wie bestürzt von der Botschaft, die sie bringen, die kommende Unendlichkeit vorausverkünden, wie Schatten der wahren Wirklichkeit, die schon auf uns fallen, weil das Eigentliche eben doch schon nahe ist.<“ (Einführung S. 190f. Karl Rahner, Alltägliche Dinge, 8f)

Böttigheimer: „Tatsächlich wird über Ignatius von Pater Goncales da C`ámara, einem seiner engsten Mitarbeiter, berichtet, dass er >immer und zu jeder Stunde, wann er Gott finden wolle<, er ihn finden konnte.218 >Es ist wahr<, schreibt Ignatius, >dass seine göttliche Majestät durch Gegenwart, Macht und Wesen in allen Dingen ist<219“ (S. 141; 218 Ignatius von Loyola, Bericht des Pilgers; 219 Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen)

zu inneren Anregungen:

Kentenich: „Die Seele befragen, was heißt das? Die individuellen Anregungen des Heiligen Geistes befragen. Ein alter weiser Theologe aus dem vierten Jahrhundert hat einmal das schöne Wort geprägt: Was in der Seele des Christen als Christ vor sich geht, das ist das Atmen des Heiligen Geistes…
Das Gebet weiß, was der liebe Gott von uns will, ehe wir es wissen. Was das besagt? Im Gebet erhalten wir vielfach solche Anregungen, ahnen, sehen vielfach instinktmäßig Zusammenhänge, Absichten Gottes, die wir nur langsam ins volle Bewusstsein kommen lassen können.“ (1967. King S. 434)

Stosch spricht von „bewusstseinsimmanenter, das Subjekt herausrufender, heilend-befreiender Erfahrung der Wirklichkeit Gottes. … Eine solche interaktionale Konzeption rekurriert auf bewusstseinsimmanenten Erfahrungen des Geführt- und Aufgehobenseins. Sie beruft sich zudem auf plötzliche Eingebungen und Intuitionen, die ich als Hinweise Gottes für mein Leben betrachte und mit denen Gott mich dazu bringen will, den besonderen Auftrag, der er für mich hat, umzusetzen.“ (Gott – Macht, S. 171)


Literatur:

Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie. Freiburg / Basel / Wien 2010
Bernhardt,
Reinhold: Was heißt „Handeln Gottes“? Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung. Gütersloh 1999
Böttigheimer,
Christoph: Wie handelt Gott in der Welt? Reflexionen im Spannungsfeld von Theologie und Naturwissenschaft. Freiburg / Basel / Wien 2013
King
, Herbert, Gott des Lebens (Joseph Kentenich – Ein Durchblick in Texten, Nr. 7), Vallendar-Schönstatt 2010
von Stosch, Klaus: Gott – Macht – Geschichte. Versuch einer theodizeesensiblen Rede vom Handeln Gottes in der Welt. Freiburg / Basel / Wien 2006


Foto: pixabay.com

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